Regenwald

Vierhundert Kilometer nordöstlich von La Paz liegt das verschlafene Nest Rurrenabaque, kurz auch Rurre genannt. Die vielen Touristen lockt der angrenzende Madidi-Nationalpark, der in seiner Artenvielfalt und Ursprünglichkeit einzigartig ist. Hier leben mehr geschützte Tierarten als in jedem anderen Nationalpark der Welt, mehr als die Hälfte des Parks hat noch nie ein Mensch betreten. Dabei rückte Rurre erst 1982 durch eine eher traurige Episode ins Interesse der Tourismusbranche und der Öffentlichkeit. Eine Touristengruppe verirrte sich hoffnungslos im dichten Urwald, nur zwei von ihnen überlebten. Das gab dann den Anstoß zur touristischen Erschließung der Region. 

Von der Geschichte des Israelis Yossi Ghinsberg, der erst nach drei Wochen wieder in die Zivilisation zurück fand, haben wir erst nach unserer Tour gelesen. Daher sind wir ganz unbefangen in das Abenteuer Urwald eingestiegen. Was wir nicht wollten: Eine Tour gemeinsam mit 12 anderen Touristen inklusive Übernachtung in der Urwald-Lodge mit warmer Dusche und von Keksen angelockte Äffchen. Was zu uns passt: Fünf Tage weitab von der Zivilisation wollten wir unsere pfadfinderische Neugier befriedigen, unter freiem Himmel übernachten und mit etwas Glück den wilden Tieren begegnen.

Im Nachhinein betrachtet war es wirklich toll! Wir hatten unsere beiden Führer Honório und Leopoldo nur für uns. Quer durch den dichten Regenwald waren wir fünf Tage lang zu Fuß unterwegs, zunächst auf winzigen Pfaden entlang kleiner Flüsschen und über einen Bergrücken hinweg. Dann verloren sich die letzten Trittspuren und ein neuer Flusslauf wurde zum Weg selbst. Oft musste das Wasser überquert werden. Anfangs zogen wir noch jedes Mal unsere Schuhe aus oder versuchten, von Stein zu Stein springend, das andere Ufer zu erreichen. Unsere Guides warteten stets mit Geduld auf der anderen Seite, denn sie gingen einfach mitsamt ihrer Schuhe durchs Wasser. Mit zunehmender Breite des Flüsschen mussten wir zwangsläufig auch auf diese Methode umstellen. Unsere Schuhe wurden vier Tage lang nicht trocken, stellenweise reichte uns das Wasser bis über die Hüfte. Vermutlich gibt es kaum eine Outdoor-Bekleidung, die für diese Art zu Reisen gemacht ist. Glücklicherweise ließ sich abends am Feuer vieles wieder trocknen.

Die Nachtlager muteten spartanisch wenn nicht gar minimalistisch an. Mit der Machete wurde ein Quadrat Wald von Kraut und Sträuchern befreit. Zwei größere Astgabeln wurden in den Boden gerammt und eine Querstange für die Plane aufgelegt. Die Ecken des Daches wurden mit stets frisch aus Balsa-Rinde gewonnenen Riemchen gestrafft. Für den Untergrund wurden Palmwedel herangeschafft, darauf kam dann unsere Isomatte nebst Moskitonetz. Nebenbei wurde aus harzreichen Hölzern ein Feuer entfacht. Bemerkenswert waren Effektivität und große Erfahrung, mit der Honório und Leopoldo ans Werk gingen und innerhalb einer gefühlten halben Stunde sowohl das Nachtlager gebaut und ein Essen vorbereitet hatten, von der wohltuenden Wirkung des Feuers mal ganz abgesehen. 

Pachamama, Mutter Erde, wurde am ersten Abend ein Opfer dargebracht, bestehend aus Coca-Blättern, Tabak und Alkohol. Ehrfurchtsvoll bat man um gutes Wetter und viele Begegnungen mit Tieren. Entweder hat Pachamama hier einiges nicht verstanden oder beim Ritual ist etwas schief gelaufen, denn in der zweiten Nacht gab es ein fürchterliches Gewitter. Auch in der dritten Nacht und die beiden letzten Tage hat es dann ziemlich viel geregnet, so dass die erhofften Begegnungen mit Tieren sozusagen ins Wasser gefallen sind – die mögen die Nässe nämlich ebenso wenig. Immerhin hat Silke einen Jaguar gesehen, der im Dickicht vor sich hin gedöst haben musste. Einige kleinere Affen kreuzten anfangs unseren Weg, von den großen war wenigstens das Gebrüll in der Ferne zu hören. Von Papageien sah man mitunter Scherenschnitte am grauen Himmel und die roten Aras ließen sich in den Wipfeln entfernter Bäume ausmachen. Es gab Schmetterlinge in Hülle und Fülle und in jeder Größe. Vom scheuen Tapir, der ohnehin nachtaktiv ist, fanden wir immer wieder Spuren im Ufersand. Verwöhnt wurden wir allerdings von den Geräuschen des Urwaldes, vor allem nachts ist das Konzert der Grillen, Frösche und anderer Bewohner hörenswert. 

Die Auswahl unserer Bilder erscheint diesmal etwas unausgewogen. Für spektakuläre Tierbilder bräuchte es mehr Zeit und vor allem besseres Licht, gepaart mit Glück. Außerdem hatten wir die große Kamera sicherheitshalber stets gut verpackt im Rucksack, die kleine Knipse war zwar griffbereit, liefert aber nicht die gewohnt guten Bilder. Sehr fotogen ist die unglaublich schöne Landschaft, aber auch hier war es einfach schwer, die Dichtheit und Üppigkeit der Vegetation überzeugend einzufangen. 

Am Ende bleiben mehrere Erkenntnisse zurück: die Natur macht sowieso, was sie will / das Wichtigste im Leben sind ein trockener Platz zum Schlafen, trinkbares Wasser und ein Feuer / wir sind anpassungsfähig und auch unter schwierigen Bedingungen belastbar. Aber wir wissen nun, warum der Regenwald Regenwald heißt… 

2 Antworten auf „Regenwald“

  1. Wow, na da habt ihr ja was erlebt!!!!! Wahnsinn!!!!
    Das sieht toll UND nach Herausforderung aus!!
    Stefan sieht auf manchen Bildern aus wie ein Kollonial-Mann, der Afrika besucht 😉
    Schöne Bilder von euch ?

  2. Ihr Lieben,diesen Bericht muß ich erst mal sacken lassen!
    Bleibt gesund,herzliche Grüße von Ruth und Eberhard,auch von Jörg

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